Mit der digitalen Wende hat die analoge Fotografie ausgedient. Der Bestand an analogen Aufnahmen wird zukünftig nur noch geringfügig wachsen. Damit ändert sich der Blick auf die analoge Fotografie: Einerseits entledigen sich Fotografen und insbesondere Firmen der platzintensiven Fotoarchive - was digital nicht vorhanden ist, wird nicht mehr gebraucht. Andererseits erfährt die analoge Fotografie eine grosse Aufmerksamkeit von Seiten der Sammler und der an alten Aufnahmen interessierten Laien, aber auch der Forschung.
Museen, Bibliotheken und Archive, die den Grossteil der erhaltenen analogen Fotografien aufbewahren, stehen daher seit einiger Zeit vor einer grossen Herausforderung: Ihre Sammlungen wachsen stetig und teilweise exponentiell an. Und zugleich steigt die Nachfrage nach Digitalisierungen, um die Bilder besser zugänglich zu machen. Es ist die Aufgabe dieser Institutionen, die Fotografien in ihren unterschiedlichen Verwendungsweisen und Entstehungskontexten zu erhalten und der Wissenschaft und dem interessierten Publikum zugänglich zu machen. Mit der massenhaften Produktion von Fotografien im 20. Jahrhundert ist die Bewahrung und Erschließung der Fotografie in ihrer gesamten Bandbreite zu einer kostspieligen Aufgabe geworden, welche in Zukunft nur über eine Bewertung der Archivwürdigkeit gelöst werden kann.
Es stellt sich daher die Frage, welche Fotografien archivwürdig und somit erhaltenswert sind und welche nicht. Diese ist nicht einfach zu beantworten, da die Fotografie nicht nur als ästhetisches Produkt gesehen werden darf, sondern ebenso als Medium der Kommunikation und des Wissenstransfers zu gelten hat. Die Bewertung von Fotografien ist ein komplexes Unternehmen und auch abhängig von den Zielsetzungen und den Möglichkeiten der aufbewahrenden Institutionen, die den Schwerpunkt oft entweder auf die dokumentarische oder auf die künstlerisch-ästhetische Bedeutung legen. Zudem wirken sich konservatorische Massnahmen auf die Kosten aus, weshalb die technischen Aspekte der Bewertungsfrage nicht zu vernachlässigen sind.
In den Bildagenturen ist die Triage und Kassation von Bildern Alltag; in Museen, Bibliotheken und Archiven werden solche Massnahmen intern diskutiert und teilweise umgesetzt, doch öffentlich ist die Bewertung von Fotografien ein „heisses Eisen“. Die Forschenden würden am liebsten nichts und die Finanzchefs am liebsten fast alles wegwerfen.
Ziel der Veranstaltung ist es, das Tabu der Bewertung von Fotografien aufzubrechen und die Chancen und Risiken, Möglichkeiten und Grenzen der Bildarchive auszuloten und zu diskutieren. Dabei stehen mögliche Kriterien für die Bewertung von grossen Fotobeständen im Vordergrund.
Forschende aus verschiedenen Disziplinen und Fachleute aus Archiven, Museen und Bibliotheken stellen ihre Position zur Diskussion.
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