Abstract |
Die Frage, welche Effekte in den einzelnen Schulfächern erzielt werden, wird spätestens seit den grossen Schulvergleichsstudien intensiv diskutiert. Trotz aller Kritik an dieser Herangehensweise ist es vor dem Hintergrund einer „Neuen Steuerung im Bildungswesen“ genuine Aufgabe einer aufgeklärten erziehungswissenschaftlichen Forschung in der Sportwissenschaft einer bildungstheoretischen Begründung auch empirische Belege für die postulierten Wirkungsannahmen an die Seite zu stellen.
In den letzten Jahren wurden daher verschiedene Wege zur Bearbeitung dieses Forschungsdesiderats begangen. Im Rahmen einer „Educational Governance“-Perspektive werden insbesondere Output-Standards als Instrument dieser „Neuen Steuerung“ betrachtet. Die fachspezifische Diskussion läuft diesen Entwicklungen bis auf wenige Ausnahmen noch hinterher. In der Diskussion um derartige Standards bieten klassische (z. B. fähigkeitsorientierte) Ansätze der Motorikforschung keine Lösung, da sie den Bildungsanspruch des Faches unangemessen reduzieren und keine ausreichende curriculare Validität besitzen. Für die Diagnostik von Basiskompetenzen im Sportunterricht eignet sich derzeit am besten der so genannte MOBAQ-Ansatz (Kurz & Fritz, 2007a). Auch wenn derzeitig noch kein allseits akzeptiertes Kompetenzmodell für den Sportunterricht vorliegt, lassen sich vor dem Hintergrund des Bildungsauftrags des Faches mit Hilfe dieses Zugangs so genannte „motorische Basisqualifikationen“ in verschiedenen Sport- und Bewegungsfeldern (u. a. Schwimmen, Ballspiele, Laufen und Springen) erfassen, die zur Teilhabe an der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur befähigen. Erst auf dieser Basis ‑ so die zentrale Annahme - kann sich die zweite Seite des Doppelauftrags des Sportunterrichts in einer „Entwicklungsförderung durch Bewegung, Spiel und Sport“ entfalten.
Echte Effekte im Sportunterricht können nur mit Hilfe längsschnittlicher Studiendesigns überprüft werden, in denen Einflüsse der ausserschulischen Sportkultur und der familiäre Herkunft kontrolliert werden. Auf der Basis eines Angebot-Nutzenmodells der Schulforschung (Helmke, 2009) wird die Analyse „kausaler Beeinflussung“ von Basisqualifikationen innerhalb eines Schuljahres längsschnittlich mit zwei Messzeitpunkten angestrebt. Die Rahmenbedingungen des Unterrichts (z. B. Qualifikation und pädagogische Orientierungen der Lehrkraft, soziales und kulturelles Kapital der Heranwachsenden), die Thematisierung bestimmter Inhalte im Sportunterricht und Prozessmerkmale des Unterrichts (z. B. Kriterien guten [Sport-]Unterrichts) werden als Prädiktoren herangezogen. Schülerinnen und Schüler aus etwa 35 Klassen der 5. Jahrgangsstufe aus unterschiedlichen Siedlungsgebieten und Kantonen (ZH, BS, BL) werden am Anfang und am Ende des Schuljahres in ihren motorischen Basisqualifikationen getestet und zusammen mit ihren Sportlehrkräften mit einem Fragebogen zu ihren motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften befragt. Um dem komplexen Ursache-Wirkungszusammenhängen in derartigen mehrfach geschichteten und geclusterten Stichproben gerecht zu werden, wird ein mehrebenenanalytischer Untersuchungsansatz (HLM: „Hierarchical Linear Modeling“) sowohl theoretisch wie auch empirisch verfolgt, der sowohl die Clusterung der Stichprobe als auch Effekte auf Individual- und Klassenebene wie deren Interaktion berücksichtigt.
Welche empirisch nachweisbaren Effekte der Sportunterricht auf die Herausbildung der Kompetenzen zur kulturellen Teilhabe am sportlichen Kulturgut hat, ist eine eminent wichtige Frage, die in der Legitimation des Faches eine normative Begründungsstrategie zu ergänzen hat. Die geplante Studie lässt daher elementare Erkenntnisse erwarten, die einen wichtigen Beitrag zur Debatte um die Stellung des Sportunterrichts in der Schule leisten und von hohem bildungspolitischen Interesse sind, wie dies im Forschungskonzept Sport und Bewegung 2008-2011 im Punkt „Bildungseffekte durch Sport“ explizit ausgewiesen ist. |