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“Se non posso esser Saffo, preferisco esser nulla“: Eine Neuinterpretation der Rolle Sapphos in Cesare Paveses Schiuma d’onda im Lichte des Phaonmythos
Book Item (Buchkapitel, Lexikonartikel, jur. Kommentierung, Beiträge in Sammelbänden)
 
ID 4660475
Author(s) Bierl, Anton
Author(s) at UniBasel Bierl, Anton F.H.
Year 2022
Title “Se non posso esser Saffo, preferisco esser nulla“: Eine Neuinterpretation der Rolle Sapphos in Cesare Paveses Schiuma d’onda im Lichte des Phaonmythos
Editor(s) Barbero, M. M. A.; Vitale, V.
Book title Alla frontiera del testo. Studi in onore di Maria Antonietta Terzoli
Publisher Carocci
Place of publication Rome
Pages 527–550
Abstract

Pavese hat als Dichter Sappho im Kern und in aller Tiefe intuitiv erfasst und auf der Grundlage des zentralen Phaonmythos in Verbindung mit einer exklusiven Passage aus Kallimachos, in der die Nymphe Britomartis vorgestellt wird, kongenial einen neuen Mythos geschaffen. Sappho zeigt Britomartis im Dialog auf, dass ihre Position, mit der Flucht ins Meer das Schicksal zu akzeptieren und als Nymphe mit den Göttern zu lächeln, eine Illusion darstellt. Sappho suchte den Tod. Der Sprung ins Meer, so wird ebenfalls im Gespräch deutlich, ist freilich keine Flucht, sondern Ausdruck der Lust nach dem Glanz. Der Phaonmythos ist symbolisierende Einkleidung von Sapphos Ideologie, das Schöne und Glänzende zu lieben. Er verarbeitet dies auf solarer Ebene. Der Sprung vom Weißen Felsen bedeutet die Fortsetzung der Verfolgung des Geliebten im Tod, in der Welt des Traumes und der Liebe. Die Todessehnsucht ist eine Formel der sapphischen Liebessprache. Sie steht für die pathologische Existenz in der Liebe und das damit verbundene Leid. Verfolgen und Fliehen gehören zum erotischen ‚Diskurs der Abwesenheit‘ (Barthes). Das damit verbundene Leid, das Verlangen nie stillen zu können, äußert sich in Sapphos Liebespoesie. In gewisser Weise ist es eine Flucht ins poetische Wort, doch auch hier, wie im Meer, kann man sich der Liebe und der Macht Aphrodites nicht entziehen. Sappho macht der Nymphe im Dialog diese Macht Schritt für Schritt deutlich; im mimetischen Prozess werden wir im Modus des Showing Zeuge davon. Letztlich hatte der Myrtenzweig, die Pflanze der Aphrodite, Britomartis schon beinahe auf ihrer Flucht aufgehalten. Partiell war Britomartis schon vom nächsten Schritt ihrer Existenz erfüllt, der sie aus dem Bereich von Artemis zu Aphrodite führt. Doch als Nymphe ist ihr vom Geschick auferlegt, ewig in diesem Zwischenbereich zwischen Mädchen und Frau zu verharren, weshalb sie sich nach dem Sprung zur Meeresnymphe wandelte. Doch wird sie im Meer, in den Fluten des Wellenschaums, in der direkten Auseinandersetzung mit der schönen Sappho, die in ihren Liedern mit Aphrodite teilweise verschmilzt, nun doch noch von der Liebe affiziert. Mit ihren Worten über das Verlangen verzaubert Sappho die Nymphe. Im Reich des Meeres, des Todes und der Träume wird Britomartis schließlich von der Macht der Aphrodite ergriffen, die sich durch die Worte offenbart. Als Nymphe ist Britomartis zuletzt wie die Mädchen im Kreis mit Sappho in einer homoerotischen Beziehung vereint. Noch wehrt sie sich, doch ist sie Sapphos Charme längst erlegen. Eine Nymphe kann sie trotzdem bleiben, weil sie ihren Status der Keuschheit als ewige ‚Braut‘ (nymphe) damit nicht verändert. Im mythischen Dialog hat sich die göttliche Macht wie im Traum in diversen Symbolen, besonders über die Farbe Weiß, in Verschiebungen, Verzerrungen, Fusionen, in dem paradoxen Zusammenfallen von Gegensätzen sowie in Metonymien und Bildern manifestiert. Tod, Traum und Eros werden in einfacher und klarer Prosa zu nahezu lyrischer Poesie, die wiederum, wie es auch bei Sappho häufig geschieht, das Thema der Dichtung anhand der selbst in den Mythos eingegangenen Liebeslyrikerin Sappho metapoetisch aufgreift. In einer intensiven mise en abyme werden damit alle Motive der Dialoghi kunstvoll gespiegelt. Dabei kreist Schiuma d’onda um die zentralen Themen von Paveses Schaffen und Existenz, ohne darin ganz aufzugehen. Was über die Einkleidung der individuellen Psychologie hinausweist, ist reiner, daher auch in die mündliche Gesprächsform transponierter Mythos und zugleich Poesie, also Mythopoiesis.

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07/05/2024