Abstract |
"Keine Anweisung zur Aufführung, keine Fixierung der Vorstellung, sondern die notwendig fragmentarische, lückenhafte, der Interpretation bis zur endlichen Konvergenz bedürftige Notation eines Objektiven." Mit dieser Notiz in den überlieferten Aufzeichnungen Zu einer Theorie der musikalischen Reproduktion umreißt Theodor W. Adorno nicht nur seine darin formulierte Ausgangsfrage: "Was ist ein musikalischer Text?", sondern stellt gleichsam das Programm für den Modus seines Schreibens und Denkens auf: keine fertig fixierten Vorstellungen, sondern teils lückenhaft springende, teils paradoxe Annäherungen, die der Interpretation des Notierten bedürfen. Auch wenn uneingeschränkt die Position geteilt werden muss, dass rein zufällige, biographische Gründe dazu führten, dass Adornos Überlegungen zu einer musikalischen Reproduktionstheorie - und mit ihr eng verwoben einer Theorie der musikalischen Schrift - genau wie sein "Fragment über Musik und Sprache" und andere Aufzeichnungen eben genau das geblieben sind: Fragmente, Offengelassenes, Nicht-Abgeschlossenes, so entbehrt dies jedoch nicht einer gewissen Konsequenz und auch Faszination. Offenbart sich hierin doch, zumindest aus philologischer Sicht, eine aufschlussreiche Perspektive auf Adornos Schreibwerkstatt in der Konzeptionierungsphase eines Textes und zugleich eine erstaunliche Kongruenz der inhaltlichen Bestimmungsarbeit, die Adorno leistet, zu der Form, in der sie überliefert ist. Fast scheint es, als wöbe Adorno seine Gedanken und Einsichten bewusst in eine Hülle aus Sprache und Text, freilich nicht im Sinne 'leerer Worthülsen', sondern im Sinne einer schützenden, halbdurchlässigen Membran, die einen Blick auf das Dahinterliegende nur adäquaten Botenstoffen gewährt. In dieser Halbdurchlässigkeit, dem konstellativen Setting des vermeintlich Nicht-Fertigen, Offengelassenen, man könnte auch sagen: der ausformulierten Unschärfe, liegt zugleich die Faszination und die Herausforderung sowohl im Umgang mit musikalischer Schrift als auch mit Adornos Aufzeichnungen - eröffnet sich hier doch ein dynamischer Operationsraum zwischen wörtlicher Auseinandersetzung auf der 'Zeichen-Ebene' (Nahperspektive) und performativer, gestisch-nachahmender Auslegung (Stichwort: Mimesis) auf der 'Bild-Ebene' (Fernperspektive). Nimmt man dies ernst, so müsste das 'Dahinterliegende' von Adornos Notizen und Gedanken selbst erst in einem performativ-mimetischen Nachvollzug, einem 'Gedanken-Machen', wieder zum Vorschein bzw. an die Oberfläche gebracht werden. |