Wie ist soziale Ordnung möglich? Welche Rolle spielt das Recht für die Herstellung sozialer Ordnung und wie unterscheiden sich Rechtsnormen von anderen sozialen Normen? Dies sind die zentralen Ausgangsfragen der Rechtssoziologie, für die in diesem Lehrbuch Antworten entwickelt werden sollen. Während wir gewöhnlich davon ausgehen, dass das Leben in gewohnten, geordneten Bahnen verläuft, haben die Corona-Pandemie und ihre Folgen uns daran erinnert, wie voraussetzungsreich ein funktionierendes gesellschaftliches Zusammenleben ist. Für die soziologische Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit sozialer und rechtlicher Ordnung, stellen daher namentlich die Erfahrungen der Pandemie reichhaltiges Anschauungsmaterial bereit.

Als Wirklichkeitswissenschaft des Rechts beobachtet die Rechtssoziologie das Recht, rechtlichen Wandel und die Wechselwirkung von Recht und Gesellschaft als tatsächliche Phänomene, die empirischer Forschung zugänglich sind. Wie empirische, gesellschaftliche Veränderungen auf das Recht einwirken können und umgekehrt, lässt sich exemplarisch am Verhältnis von technischem und rechtlichem Wandel beobachten. Technische Innovationen im Bereich der Informationstechnologie (künstliche Intelligenz) und der Biomedizin (CRISPR) bilden in diesem Lehrbuch deshalb ebenfalls zentrale Anwendungsbeispiele für aktuelle rechtssoziologische Fragestellungen.

Das geplante Lehrbuch möchte zu einem umfassenderen Verständnis des Phänomens «Recht» beitragen. Die Einübung des soziologischen Blicks eröffnet eine distanzierte und kritische Perspektive auf das, was Juristinnen und Juristen tun, wenn sie Recht sprechen und vollziehen, verteidigen oder verhandeln. Das positive Recht – etwa die Normen des Zivilrechts oder des Strafgesetzbuchs – und seine Anwendung erscheinen aus der Sicht der Rechtssoziologie als zeitgebundene gesellschaftliche Konstruktionen, die immer auch anders ausfallen könnten. Sichtbar wird letztlich aber auch, dass das Recht nur ein Element unter anderen ist, welche soziale Ordnung ermöglichen.