Eines der auffälligsten Merkmale der Erzähltechnik der Apostelgeschichte im Neuen Testament ist, dass in einigen Passagen sehr unvermittelt ein „narratives Wir“ auftaucht. Seit der frühen Kirche wurde dies überwiegend dadurch erklärt, dass der Autor des lukanischen Doppelwerkes ein Reisebegleiter des Paulus – der Arzt Lukas (Kol 4,14) – gewesen sei. Die neuere Forschung ist gegenüber dieser Identifizierung sehr skeptisch und hat daher eine Vielzahl an alternativen Hypothesen vorgeschlagen. In dieser heftig geführten Diskussion sind die sogenannten „Wir-Passagen“ aber lediglich Daten für eine literargeschichtliche Fragestellung. Völlig aussen vor blieb daher bisher die ausführliche Untersuchung, wie in diesen Passagen tatsächlich erzählt wird. Ein Grund für diese Vernachlässigung ist auch, dass sich in der bisherigen Forschung – trotz des „narrative turn,“ der auch die Bibelwissenschaften erfasste – eine erzähltheoretisch fundierte Herangehensweise noch nicht etabliert hat. Entsprechend ist noch immer meist vom „Wir-Erzähler“ die Rede, obwohl aus Sicht der Narratologie hier das Konzept der Fokalisierung (Wer sieht?) viel angemessener erscheint als eine Engführung der Analyse auf die Erzählstimme (Wer spricht?). Durch einen Fokus auf diese Fragestellung der narrativen Perspektive in den Wir-Passagen leistet dieses Projekt einen wichtigen Beitrag zur erzähltheoretischen Erforschung der Apostelgeschichte – und des Neuen Testaments insgesamt.