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Verbot der Gebärdensprache in der Schweiz
Third-party funded project
Project title Verbot der Gebärdensprache in der Schweiz
Principal Investigator(s) Lengwiler, Martin
Project Members Hesse, Rebecca
Organisation / Research unit Departement Geschichte / Neuere Allgemeine Geschichte (Lengwiler)
Project start 01.04.2016
Probable end 31.03.2017
Status Completed
Abstract

Die vorgeschlagene Studie untersucht die Geschichte des Gebärdensprachverbots an schweizerischen Gehörlosenschulen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie analysiert einerseits die föderalisti- sche und sprachregionale Vielfalt der Gehörlosenpädagogik und behandelt andererseits die Auswirkun- gen des Verbots auf die Leben der Gehörlosen. Die Marginalisierung der Gebärdensprache in den Gehör- losenschulen geht in der Schweiz wie in anderen europäischen Ländern ins 19. Jahrhundert zurück. In der Schweiz wurden seit 1811, als die erste Taubstummenanstalt in Yverdon gegründet wurde, gehörlse 

Kinder in speziellen Institutionen unterrichtet. Noch bis in die 1840er Jahre war es gang und gäbe, Gebärden als Hilfsmittel zur Lautspracherlernung im Unterricht einzusetzen. In den Folgejahrzehnten wurden die Gebärden jedoch mehr und mehr aus den Anstalten verdrängt. Seit den 1860er Jahren waren Gebärden schliesslich ganz aus den schweizerischen Taubstummenanstalten verschwunden. Dies war lange vor 1880, als sich die Lautsprache am internationalen Taubstummenlehrerkongress in Mailand definitiv gegenüber den Gebärden durchsetzte.

Die geplante Studie analysiert die Formen und Gründe für die Verdrängung der Gebärdensprache in der Schweiz. Die Gründe lagen einerseits im Einfluss der sprachphilosophischen Traditionen des deut- schen Idealismus, andererseits in den schulpraktischen Vorteilen der Lautsprache, die zum Sprachver- ständnis des Volksschulunterrichts passte. Zudem war die Gebärdensprache lange Zeit nicht als vollwer- tige Sprache anerkannt und wurde oft als „Affen- und Diebessprache“ abqualifiziert. Das Gebärdenverbot wurde an den schweizerischen Gehörlosenschulen bis in die 1980er Jahre rigoros durchgesetzt. Gegen- läufige Erkenntnisse wurden nicht aufgegriffen, etwa die Forschungsergebnisse des Linguisten William C. Stokoes, der in den 1960er Jahren die Gebärdensprachen als vollwertige Kommunikationssysteme zu rehabilitieren versuchte. Auch innovative Einrichtungen wie das US-amerikanische Gallaudet College, das als erstes Gehörlosen-College die Gebärdensprache im Unterricht verwendete, verleiteten die Gehör- losenpädagogen in der Schweiz nicht zum Umdenken.

Die Studie verweist auch auf die beruflichen und biografischen Folgen der Konzentration auf die Lautsprache. Die Gehörlosen wurden lange zu einseitig an ihrer Sprechfähigkeiten gemessen, während andere Interessen und Fähigkeiten als wenig förderungswürdig und vernachlässigbar galten. Die Schulen erfüllten ihren Anspruch, eine gleichwertige und ganzheitliche Bildung zu vermitteln, nur ungenügend. Als Folge blieb begabten Gehörlosen der Zugang zu qualifizierten Berufsbildungen und zu Hochschulen lange versperrt. Erst in den 1980er Jahren begannen vereinzelte Schulen in der Schweiz, namentlich die Gehörlosenschule Montbrillant in Genf und jene in Wollishofen, Zürich (lautsprachbegleitende) Gebär- den wieder in den Unterricht einzuführen. Die übrigen schweizerischen Gehörlosenschulen verblieben vorerst beim Gebärdenverbot. Erst in den späten 1990er Jahren setzte ein allgemeines Umdenken hin zur bilingualen Erziehung von Gehörlosen ein.

Die Studie analysiert schliesslich die Unterschiede zwischen dem Bildungszugang von Gehörlo- sen und Hörenden zur Zeit des Gebärdensprachverbotes, insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Zu untersuchen sind beispielsweise die mit dem Gebärdensprachenverbot zusammenhän- genden reduzierten Berufschancen von Gehörlosen, die mit den Chancen von Absolvent/ innen des nor- malen Volksschulsystems verglichen werden. Auch werden die Berufskarrieren verschiedener Generati- onen von Gehörlosen miteinander verglichen, insbesondere für die Zeit vor und nach Abschaffung des Gebärdenverbots seit den 1980er Jahren.

Keywords Gehörlose, Gebärdensprache, Schweiz, 19.Jahrhundert, 20. Jahrhundert, Geschichte
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20/04/2024