Die Dissertation ist Teil des SNF Sinergia Projektes "Doing House and Familiy" im Basler Teilprojekt "Knowledge production and Communication" unter der Leitung von Prof. Dr. Claudia Opitz.
Das Projekt "Kinderstuben. Kinder in stadtbürgerlichen Haushalten der Stadt Basel (1750-1830)" rekonstruiert anhand von Korrespondenzen und anderen Selbstzeugnissen, was Kind-Sein in bürgerlichen Familien um 1800 bedeutete. Dabei werden vor allem Praktiken in den Blick genommen und das alltägliche Leben im Haus und als Familie in Hinblick auf Veränderungen in einer Transformationsphase der europäischen Gesellschaft untersucht, die in Anlehnung an Reinhart Koselleck vielfach als „Sattelzeit“ bezeichnet wird.
Das Bürgertum bildete die Trägerschicht der normativen Vorstellungen von Familienleben und Erziehung und deren Diskussion in der Öffentlichkeit. Hier entstand das diskursive Motiv der auf Liebe gegründeten Kleinfamilie und der Wunsch nach Privatheit. Zugleich setzt sich das Bürgertum aus einzelnen Menschen und Familien zusammen, die sich zu gewandelten Vorstellungen und Ansprüchen verhalten müssen.
Die Arbeit fokussiert auf die Kindererziehung um zu zeigen, wie „Familie“ in der Basler Oberschicht um 1800 definiert und gelebt wurde. Dabei wird „Familie“ als ein Prozess gelebter Beziehungen konzeptualisiert, deren Intensität nicht primär an den Verwandtschaftsgrad gebunden ist. Zwar sind im Haushalt lebende Verwandte oder für die Erziehung angestellte Personen wichtige Bezugspersonen für die Kinder, umgekehrt findet deren Erziehung jedoch nicht allein im Elternhaus statt – die Grenzen des Hauses bleiben also ähnlich fluide wie die der Familie.
Wie all die verschiedenen Akteur_innen in der Erziehung der Kinder miteinander agierten und welchen Einfluss die neuen Ideale und Konzepte der Aufklärungspädagogik in der täglichen Erziehungspraxis spielten, ist die zentrale Frage dieser Arbeit. Hier zeigt sich, dass ein Wandel stärker auf der diskursiven Ebene und in der Reflexion der Akteur_innen zu beobachten ist als im gelebten Umgang mit den Kindern. Ein emotionsgeschichtlicher Zugang hilft zu verstehen, wie die Erziehenden diese Spannungen zwischen eigenem Anspruch und den Kontingenzen der alltäglichen Praxis einordneten und für sich normalisierten. |