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Prinzipielles und Prozessuales zur hypothetischen Einwilligung in ärztliche Heileingriffe
JournalArticle (Originalarbeit in einer wissenschaftlichen Zeitschrift)
 
ID 2791009
Author(s) Merkel, Grischa
Author(s) at UniBasel Merkel, Grischa
Year 2013
Title Prinzipielles und Prozessuales zur hypothetischen Einwilligung in ärztliche Heileingriffe
Journal Juristen Zeitung
Volume 68
Number 20
Pages / Article-Number 975-979
Keywords Hypothetische Einwilligung, Patientenrechtegesetz, ärztlicher Heileingriff
Abstract Das neue Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (kurz: Patientenrechtegesetz) gibt Anlass, elementare Zusammenhänge des Selbstbestimmungsrechts und der Körperverletzung durch ärztlichen Heileingriff genauer zu beleuchten. Grundsätzlich gilt: Eine Heilbehandlung durch einen Arzt, die mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist, ist nur dann gerechtfertigt, wenn der Patient zuvor in die Behandlung eingewilligt hat. Eine wirksame Einwilligung setzt ihrerseits eine ordnungsgemäße Aufklärung durch den Arzt voraus. Wurde der Patient also nicht entsprechend aufgeklärt, dann ist der Eingriff mangels Einwilligung eine Körperverletzung. Im Zivilprozess ist ausnahmsweise der Arzt auch als Beklagter darlegungs- und beweislastpflichtig hinsichtlich der Einhaltung seiner Aufklärungspflichten. Die Rechtsprechung kommt ihm jedoch insoweit entgegen, als sie bei fehlerhafter Aufklärung die Annahme einer sog. „hypothetischen“ Einwilligung zulässt. Danach kann sich ein Arzt bei fehlerhafter Aufklärung entlasten, indem er darlegt, dass der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte. Gelingt es dem Patienten nicht, dies plausibel damit zu bestreiten, dass er bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einen ernsthaften Entscheidungskonflikt hinsichtlich seiner Zustimmung geraten wäre, so ist der Arzt weder schadensersatz- noch schmerzensgeldpflichtig. Diese gefestigte Rechtsprechung der Zivilgerichte hat der Gesetzgeber mit dem Patientenrechtegesetz in § 630h II 2 BGB nun verbindlich für medizinische Behandlungsverträge geregelt, wobei die deliktische Haftung hiervon unberührt bleiben soll: „Genügt die Aufklärung nicht den Anforderungen […] kann der Behandelnde sich darauf berufen, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte.“ Seit den 1990er Jahren hat die hypothetische Einwilligung bei ärztlichen Heileingriffen auch in die Strafrechtsprechung Eingang gefunden, wenngleich dies in der Literatur wohl überwiegend kritisiert und in der Rechtsprechung bislang recht uneinheitlich gehandhabt wird. Anders als im Zivilrecht wäre wegen des im Strafrecht geltenden Zweifelsgrundsatzes „in dubio pro reo“ zugunsten des Arztes aber davon ausgehen, dass der Patient bei ordnungsgemäßer Aufklärung eingewilligt hätte. Sollte sich die hypothetische Einwilligung im Arztstrafrecht durchsetzen, wäre daher die erwartbare Folge, dass eine unterlassene oder fehlerhafte Aufklärung regelmäßig selbst dann strafrechtlich folgenlos für den Arzt bliebe, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, über das nicht aufgeklärt wurde. Das ist besonders in solchen Fällen schwer nachvollziehbar, in denen Ärzte ihren Patienten bewusst Informationen vorenthalten sowie bei Eingriffen mit großem Risiko. Aber auch in allen übrigen Fällen stellt sich die Frage, ob das Aufklärungserfordernis mit der hypothetischen Einwilligung de facto überhaupt derart eingeschränkt werden darf.
Publisher Mohr Siebeck
ISSN/ISBN 0022-6882 ; 1868-7067
edoc-URL http://edoc.unibas.ch/50690/
Full Text on edoc No
Digital Object Identifier DOI 10.1628/002268813X13757733098502
 
   

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25/04/2024