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Der „jüdische Bart“ als „weiche“ religiöse Körperpraxis
Project funded by own resources
Project title Der „jüdische Bart“ als „weiche“ religiöse Körperpraxis
Principal Investigator(s) Wolff, Eberhard
Organisation / Research unit Departement Gesellschaftswissenschaften / Kulturanthropologie (Leimgruber)
Project start 01.03.2013
Probable end 31.10.2013
Status Completed
Abstract

Der „jüdische Bart“ als „weiche“ religiöse Körperpraxis

Im Kurzprojekt soll es um „den jüdischen Bart“ als „weiche“ Praxis der religiösen Zurichtung des Körpers gehen. Ein Vergleich zwischen der jüdischen Barttracht und der jüdischen Beschneidung (Brit Mila) als „härterer“ religiöser Körperpraxis soll den analytischen Zugang erleichtern.

Jüdische Beschneidung und „jüdischer Bart“ sind ursprünglich weitgehend verpflichtende und unhinterfragte körperliche Zurichtungen und Symbole der Zugehörigkeit von Männern zum Judentum. Beide gerieten ab der Mitte des 18. Jahrhunderts infolge von Reformbewegungen zunehmend unter Kritik. Während sich die Beschneidung trotz aller kritischer Debatten bis in die Gegenwart als entscheidendes körperliches Zugehörigkeitszeichen von Männern zum Judentum relativ weitgehend und konstant erhalten konnte, hat sich das Tragen eines Bartes unter Juden in der Moderne stark relativiert und ausdifferenziert.

Im Vergleich mit der Brit Mila wird der spezifische Charakter des „jüdischen Bartes“ als „weicher“ religiöser Zurichtung des Körpers besonders deutlich. Er hat ein geringeres religiöse Verbindlichkeitslevel, ist nicht ritualisiert und hat eine viel geringere Invasivität als die Beschneidung. Die Praxis des Barttragens ist reversibel und ermöglicht Varianzbreite des Handelns. Sie hat ein geringeres Alteritätslevel als die Beschneidung und eine geringere Konflikthaftigkeit mit Perspektiven der Moderne. Im Gegensatz dazu besitzt das Tragen eines Bartes über seine Sichtbarkeit jedoch einen viel grösseren Öffentlichkeitscharakter als die Praxis der Brit Mila und ist damit eine Praxis mit einem höheren Potential an Performanz bzw. Interaktivität.

Alle diese Faktoren zusammen schufen die Möglichkeit eines flexibleren Umgangs mit dieser Praxis körperlicher Zurichtung. Mit den Reformbewegungen wurde das Tragen oder Nichttragen eines Bartes zu einer komplexeren symbolischen Körperpraxis und eines sichtbaren Ausdrucks des eigenen Verständnisses vom Judentum. Aufgeklärte und Reformer rasierten sich bewusst. Traditionelle Juden behielten ihren (Voll-)Bart bewusster als vorher. Es entstanden Zwischenformen jüdischer Barttracht. Die Flexibilisierung schuf einen Spielraum des individuellen Umgangs mit dem Körper und der aktiven sichtbaren symbolischen Auseinandersetzung mit dem Judentum.

Mit der Flexibilität der Praxis entstand in Form einer religiösen Zurichtung des Körpers auch ein Mass an Freiheit der individuellen Gestaltung des religiösen, nichtreligiösen oder ethnischen Körpers.

Die Mehrdeutigkeit des Körpersymbols „Bart“ war darüber hinaus eine Chance. Ein doppeldeutiger Bart konnte sogar von Vorteil sein als angemessene Verkörperung mehrschichtiger, komplexer Identitäten. Der Bart beispielsweise eines deutschen Juden im 19. Jahrhundert konnte ein Zeichen des Judentums, ein Zeichen von Männlichkeit und Respektabilität, ein Zeichen von Bürgerlichkeit und von Modebewusstsein darstellen - und alles gleichzeitig auf den Träger zutreffen.

 

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01/05/2024