Abstract |
Gegenstand des Dissertationsprojekts ist der chilenische Pentekostalismus. Die Ausgangsfrage, wie sich pfingstlerische Identität und das Gefühl von Zugehörigkeit (belonging) zur Gemeinschaft entwickeln und geformt werden und wie sich diese Gemeinschaft nach aussen abgrenzt, führen zur These, dass Bestand und Funktionieren der pfingstlerischen Gemeinschaft von der Fähigkeit des einzelnen Mitglieds abhängen, sich in die Gemeinschaft einzuordnen. Ein komplexer Prozess der Sozialisation regelt das Verhältnis zwischen Eigeninteressen des Individuums und dem Gemeinwohl. Der Sozialisationsprozess innerhalb der pfingstlerischen Gemeinschaft entwickelt sich entlang eines mehrstufigen Konversionsprozesses.
Die Ausgangsthese wird anhand mehrerer Leitfragen überprüft: Wer tritt aus welchen Gründen der pfingstlerischen Gemeinschaft bei? Mit welchen Mitteln werden Einzelne in die Gemeinschaft eingebunden und für ihren Erhalt und ihr Wachstum motiviert? Wie können die Identifikation mit der Gemeinschaft und der Einsatz für das Gemeinwohl auf konstant hohem Niveau gehalten werden? Wie werden Forderungen und Erwartungen der Gemeindeleitung umgesetzt und eingehalten?
Zentral wirkt im Sozialisationsprozess die Konversion, die sich im so genannten Glaubens- und Lebenszeugnis ausdrückt. Die Konversion regelt das soziale Zusammenleben, indem sie Handlungsbezüge (die komplexen und intensiven Beziehungsstrukturen innerhalb der Gemeinschaft) und Handlungsorientierung (soziale Identität in Abgrenzung zur Aussenwelt) bildet, auf die sich die Mitglieder in ihrem Handeln beziehen. Die starke Binnenidentität der Gemeinschaft bewirkt hohen Anpassungsdruck. Erfahrungen, Fertigkeiten und Wissen werden in der Gemeinschaft ausgetauscht und kultiviert. Dass die Sozialisationsprozesse in einem religiös geprägten Umfeld stattfinden, verleiht ihnen göttliche Legitimation und verdichtet die Beziehungsstruktur.
Die pfingstlerische Gemeinde verfügt über eine Vielzahl von Mechanismen und Instanzen, sich zu konstituieren und zu erneuern. Die Fähigkeit zum reinforcement der Mitglieder und der Gemeinschaft und damit zum empowerment von allen Beteiligten ist geradezu ihr Proprium. Das Zeugnis der Bekehrung hat ethische Konsequenzen und führt sowohl zu einer Orthopathie als auch einer Orthopraxis, die das Glaubensleben und den Alltag der Mitglieder regeln. Die pfingstlerische Gemeinschaft gleicht einer emotional verbundenen Familie. Diese Familie, die als göttlich gestiftet verstanden wird, ermöglicht es, zu heilen und zu therapieren. Sie ist dynamisch und beruht auf einer hohen Selbstverpflichtung, die sie dazu antreibt, die Gemeinschaft zu verbreitern und zu vertiefen. So werden neue Mitglieder bekehrt und neue Gemeinden gegründet, die immer auf der Suche sind nach einer Vertiefung des Glaubens und der Konversion neuer Mitglieder.
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